MEHR KREUZBERG JEHT NICH Günter Rudolf Kokott zum 85. | 26.05. – 10.06.2023

Günther Rudolf Kokott | Vernissage: 26.05. 2023, 18-21 Uhr

Günter Rudolf Kokott

Kokott zeichnet mit Aquarellstiften, Aquarellfarben den und Spucke. Wenn er zeichnet, ist er ganz Teil des Geschehens und damit Chronist, Zeitzeuge — etwa wie am 1. Mai 1987, als er in der Nähe der Kreuzberger Oberbaumbrücke saß und gleichzeitig Erich Honneckers letztes Feuerwerk im Ostteil der Stadt, sowie die Flammen des brennenden Supermarktes Bolle im Stadt teil Kreuzberg sehen konnte. Kokott schildert das Geschehen mit bengalischen, branstigen Farben, die in ihrer Dringlichkeit eine Ausnahmeerscheinung gegenüber den anderen Blättern seines Ausstellungsparts darstellen, vollgesogen mit historischen und malerischen Ereignisformen. Nicht zufällig tauchen immer wieder Kreuzberger Motive auf— Günter Rudolf Kokott war von 1976 bis 2008 Planungsbeauftragterin Berlin-Kreuzberg und ist bis heute mit Leib und Seele seinem Kiez verbunden.

So wie Kokott städtisches Leben überarchitektonische Blickwinkel wahrnimmt, das Verhältnis von Formen und Volumina zu den Qualitäten des Wohnens und sich Bewegens im öffentlichen Raum bestimmt, wie das Auswölben der Kuppel des Bodemuseums sieht den Blick vom Potsdamer Platz auf das geheimnisvolle Scharoun’sche Orakel des Kammermusiksaals der Philharmonie richtet [der nach neuesten Plänen unseres Obersten in Städtebaufragen nun zu geklotzt und kubisch verbetoniert werden soll], oder wie er etwa die bizarr zerklüftete Ruine des Tacheles oder das Verhältnis von Spreeverlauf zu Uferbebauungen, Brücken und Schleusen in kleine Momentaufnahmen zu fassen vermag – das hat nicht nur eine Emotionen auslösende Energie, sondern eben auch ein Maß historischer Tatsächlichkeit, die verblüffend ist. Das ist insofern das Gegenteil der rhetorischen Effektverstärkung, die etwa das Fernsehen bietet und ist gerade deshalb so reizvoll.

Günter Rudolf Kokott sucht den Durchblick im Stadtbild, den malerischen Ausblick als Counterpart zur touristischen Postkartenspringflut.“